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Montag, 29. Dezember 2014

Rezension: Tigermilch von Stefanie de Velasco

Titel: Tigermilch
Autorin: Stefanie de Velasco
Seitenanzahl: 288 Seiten
Genre: Jugendbuch (ab 16 Jahren)
Reihe: Nein
Preis: 16,99 EUR
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Erschienen am 15.08.2013 
www.kiwi-verlag.de

Klappentext:

Nini und Jameelah leben in derselben Siedlung, sie sind unzertrennlich und mit ihren 14 Jahren eigentlich erwachsen, finden sie. Deswegen kaufen sie sich Ringelstrümpfe, die sie bis zu den Oberschenkeln hochziehen, wenn sie ganz cool und pomade auf die Kurfürsten gehen, um für das Projekt Entjungferung zu üben. Sie mischen Milch, Mariacron und Maracujasaft auf der Schultoilette. Sie nennen das Tigermilch und streifen durch den Sommer, der ihr letzter gemeinsamer sein könnte. Die beiden Freundinnen lassen sich durch die Hitze treiben, sie treffen nicht Tom Sawyer oder Huck Finn, aber hängen mit Nico ab. Nico, der in der ganzen Stadt »Sad« an die Wände malt und Nini ein Gefühl von Zuhause gibt. Sie machen Bahnpartys, rauchen Ott in Telefonzellen und gehen mit Amir ins Schwimmbad. Amir, den sie beschützen wie einen kleinen Bruder. Und dessen großer Bruder Tarik im Dauerstreit mit seiner Schwester liegt, weil diese sich in einen Serben verliebt hat. Nini und Jameelah erschaffen sich eine Welt mit eigenen Gesetzen, sie überziehen den Staub der Straße mit Glamour, die Innigkeit ihrer Freundschaft ist Familienersatz. Sie halten sich für unverwundbar, solange sie zusammen sind. Doch dann werden sie ungewollt Zeuge, wie der Konflikt in Amirs Familie eskaliert. Und alles droht zu zerbrechen.

Meine Meinung:

Lange habe ich kein Buch mehr gelesen, dass mich so berührt und beschäftigt hat. Die Geschichte von Nini und Jameelah wird so schonungslos, ehrlich und naiv erzählt, dass es eine ganz eigene Tragik bekommt. 
Fassungslos kann man verfolgen, wie normal den beiden Mädchen ihr Leben zwischen Alkohol, Drogen und Prostitution vorkommt. 
Sie machen einfach ihr Ding und fühlen sich großartig erwachsen. Und obwohl sie mit Männern auf dem Kurfürstendamm anschaffen "üben", sprechen sie gleichzeitig noch "O"-Sprache (Vokale werden durch ein O ersetzt: z.B. kross statt krass). Sie spielen "Stadt Land Aids" und müssen dafür nachsitzen. Sie mischen auf der Schultoilette ihre Schulmilch zu Tigermilch und betrinken sich am helllichten Tag. Ihre Freunde kiffen in einer Telefonzelle. 

Für Nini und Jameelah ist alles ganz normal. Ihre Freundin hat Ärger, weil sie einen Serben (Sorben) liebt und ihre arabische Familie das ablehnt. Dieser Familienstreit eskaliert immer mehr und irgendwann werden Nini und Jameelah Zeuge eines schrecklichen Verbrechens.
Danach ändert sich alles. Die beiden Mädchen haben unterschiedliche Ansichten, wie sie sich verhalten sollen.
Zuerst versuchen sie die Sache zu verdrängen, aber so einfach ist das nicht.

In diesem Buch wird wirklich nichts ausgelassen. Von geklauten Spendengeldern, über Teenagerschwangerschaft, "Auge um Auge", Abschiebung, Prostitution und Mord ist alles vorhanden.
Und wirklich nichts davon wirkt übertrieben. Es ist einfach da und man muss es so hinnehmen. Es wird kein Finger erhoben und es gibt auch keine Botschaft. Es ist einfach ein Tatsachenbericht über eine Mädchenfreundschaft und einen gemeinsamen Sommer.

Besonders ist nicht nur der Inhalt, sondern auch der Schreibstil. Keine der Personen wird näher erklärt. Nini erzählt die Geschichte aus ihrer Sicht und es wirkt, als hätte sie es einfach niedergeschrieben. Es gibt keine Satzzeichen, außer Punkt und Komma. Dadurch weiß man zuerst nicht, ob jemand etwas sagt oder denkt. Personen tauchen einfach auf, aber man bekommt schnell mit, wer wo hin gehört und zu wem. 

Dieses Buch ist einfach erschreckend und gleichzeitig faszinierend. Die beiden Mädchen haben immer die besten Absichten, aber können nur im Rahmen ihrer Möglichkeiten handeln. Doch wie sollen sie wissen wie es geht. Von ihren kaputten Familien haben sie es nicht besser gelernt. Aber sie haben ihr Herz am rechten Fleck und geben sich gegenseitig halt..... Bis zum Ende.

Fazit:

Für mich ist dieses Buch ein Meisterstück und Geheimtipp. Ninis Geschichte hat mich berührt und beschäftigt, dass ich noch lange an die Geschichte denken werde. Jeder der Jugendbücher mag und nicht auf "Heile Welt" steht, der sollte sich das Buch mal näher ansehen. Der Schreibstil ist einzigartig wie der Rest des Buches. Definitiv Bestnote!

Autorin:

Stefanie de Velasco, geboren 1978 in Oberhausen, studierte Europäische Ethnologie und Politikwissenschaft in Bonn, Berlin und Warschau. 2011 erhielt sie für den Anfang ihres Debütromans den Literaturpreis Prenzlauer Berg, 2012 war sie Stipendiatin der Schreib­werkstatt der Jürgen Ponto-Stiftung. 2013 erhielt sie das Schreibstipendium des Künstlerdorfes Schöppingen. Derzeit ist sie Stipendiatin der Dreh­buchwerkstatt München. Sie lebt und arbeitet in Berlin.
(Quelle: Amazon)

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